Friday, March 29, 2013

Die taz in der Klimafalle


Das Ausmaß der Krise der Klimadebatte kann man an der Titelstory der taz  "Globale Erwärmung lässt Europa zittern" vom letzten Mittwoch ermessen. Selbst kritische Klimazwiebelleser werden übereinstimmen, dass wenn überhaupt ein Presseorgan, dann die taz für den Kampf gegen den Klimawandel zuständig ist - schließlich verdankt sich die Existenz der taz zu guten Teilen der Umweltbewegung und umgekehrt. Doch diese Titelgeschichte und der dazu gehörende Kommentar "Alle reden vom Wetter. Na endlich!" liest sich für mich wie ein Abgesang auf die eigene Geschichte und den eigenen Anspruch: Die taz erweist sich wie die anderen Medien bei diesem Thema als eine Normalisierungsmaschine zur Aufrechterhaltung genau der Verhältnisse, die den Klimawandel erst verursachen.


In dieser Titelgeschichte wird das Paradox,  dass auch "der eisige März Folge der Klimaerwärmung" ist, unter Zuhilfenahme von Klimaforscherinnen aus den USA oder Potsdam erklärt. Diese These wird im Kommentar zum Anlass genommen, wieder einmal das Klimakatastrophenszenario in Erinnerung zu bringen. Es wird aus den Meldungen, welche die Klimaforschung aus der ihr eigenen Mischung aus Profilierungsstress und unreflektiertem Verantwortungsgefühl täglich und zu jedem Wetter an die Presseagenturen gibt, völlig unkritisch und wissenschaftsgläubig zusammengesetzt: Permafrost, Methan, 2 Grad, Kipppunkte und dann: gute Nacht. Als Hoffnungsschimmer und Mahnung, dass es auch anders gehen muss: Nicholas Stern und die Message, dass es ohne Umsteuern noch viel teurer wird. Gut, dass wir mal wieder drüber geredet haben. Die taz reiht sich hier nahtlos ein in die Phalanx der Klimazombies aus Politik und Wissenschaft, wie sie im vorigen Thread von Christopher Shaw im Guardian beschrieben wurden. Die Titelstory ist ein Musterbeispiel für einen Normalisierungsdiskurs, der das Problem Klimawandel an die Wissenschaft und die übliche Regierungspolitik zurück gibt, die Bürger nur noch als Ausführende versteht und zugleich den Klimawandel zum Teil des alltäglichen Gesprächs über das Wetter macht. Damit ist aber genau das Gegenteil erreicht. Wenn die Presse zur unreflektierten Klimasprechmaschine degeneriert, dann ist Klima wirklich nur noch ein Kontroll- und Herrschaftsdiskurs.



21 comments:

hvw said...

Werner,

ist da mit dem Link was schiefgegangen? Der zur "Titelstory" zeigt jetzt auf "Wenig Eis, viel Schnee und Kälte", ein ausgezeichnetes Beispiel von Wissenschaftsjournalismus, das sich einem wirklich nicht einfachem Thema widmet, das auch auf der Klimazwiebel vom atmosphärenwissenschaftlichen Personal schon diskutiert wurde. Dagegen ist alles was SPON so absondert übelster Boulevard.

Der "Kommentar" von Nich Reimer ist wirklich Müll, aber kann man das der taz vorwerfen, sind Kommentare nicht mehr dem Autor als der Zeitung zuzuordnen? Nicht dass ich taz - Fan wäre, aber hat deshalb jemand Nature grundlegend beschimpft?

Werner Krauss said...

hvw,
es handelt sich um denselben Artikel, der online einen anderen Titel hat.
Doch, die taz ist für den Kommentar verantwortlich, denn er steht auf der Titelseite unter der riesigen Überschift "Globale Erwärmung lässt Europa zittern".
Und dass der Artikel selbst vielleicht "atmosphärenwissenschaftlich korrekt" ist ändert nichts an der politischen Rolle, welche die Wissenschaft hier spielt: sie ist die Basis für das Zombienarrativ, das im Guardian so drastisch beschrieben wurde. Seit nunmehr bald zwei Jahrzehnten spielen so alle ihre Rolle, die Alarmisten, die Skeptiker, die Wissenschaft, die Politik und selbst die taz. Wir haben hier ein ernsthaftes epistemologisches Problem bzw ein profunde Krise der Kritik, die zum Klimawandel offensichtlich nichts zu sagen hat außer dass ja schon alles gesagt sei: wenn wir so weitermachen, kippt das System und die Welt geht unter, es sei denn, wir stellen weltweit auf alternative Energien um, was sich ja auch lohnt, wie Stern schon sagte. Diese Endlosschlaufe drückt auch einfach gedankliche Faulheit aus und dass man sich in der Klimafalle behaglich eingerichtet hat. Es leben ja auch alle gut damit, die Alarmisten, die Wissenschaft, die Skeptiker und die Politiker. Dagegen richtete sich meine kleine Polemik hier.

(Und Nature kann man in dieser Hinsicht ganz vergessen, aber die haben ja auch keinen kritischen Anspruch. Den Sarewitz Artikel, den Sie hier verlinken, haben wir übrigens auch schon ausführlich kritisiert hier).

hvw said...

Werner,

ich will ja gar nicht abstreiten, dass die Medien im allgemeinen dazu tendieren, Wissenschaft als "Basis für das das Zombienarrativ" zu benutzen und dass da eine "Endlosschlaufe" einer eindimensionalen Erzählung spielt, die nicht wirklich weiterhilft.

Nur den Bezug auf diesen konkreten Artikel verstehe ich überhaupt nicht. Da wird kein Weltuntergang beschworen, und ich finde nicht ein einziges, negativ wertendes Adjektiv, das sich auf das Phänomen bezieht, das hier beschrieben wird. Da wird auch keine Notwendigkeit irgendiwe gearteter Mitigations- oder Adaptionsmassnahmen impliziert, das ist hier einfach nicht Thema. Der Artikel ist extrem sachlich, wenn man mal von dem peinlich-trivialen Ausdruck der déformation professionelle des DWD am Schluss absieht, was man aber als journalistischen Kniff betrachten kann, um die oft beklagte öffentliche Wahrnehmung der Wissenschaft als Verkünder unumstrittener ewiger Wahrheiten zu brechen.

Kurz, ich finde gerade dieser Artikel ist eins von wenigen Beispielen, die ein klimawissenschaftliches Sujet ohne moralische, normative und politische Konnotationen behandelt; Wenn so etwas überwiegen würde, wäre das ein Zeichen, dass wir nicht in der "Klimafalle" sitzen würen.

<POLEMIK>Oder richtet sich ihre Kritik gegen die Existenz dieses Artikels an sich, der ja einer Rezension der "Klimafalle" im Feuilleton den Platz wegnimmt?</POLEMIK>

Werner Krauss said...

hvw,

es ist der Kontext, nicht der Artikel. Der steht nicht für sich allein. Will da aber auch nicht drauf rumreiten.
Zur Polemik: -:)

ghost said...

@Werner

das war aber jetzt sehr zwanghaft...

Hm, ich habe mal eine Frage: wird im Buch eigentlich die Kongressanhörung im Auftrag von Joe Barton thematisiert? Sie haben ja mal hier geschrieben, dass sie Joe Barton für einen lobbygesteuerten, naja, nicht ganz so tollen Politiker halten. Aber gerade "für" (für ist falsch, aber es war von Joe Barton initiiert) Joe Barton hat Hans von Storch im Kongress ausgesagt und hat damit bei der Hexenjagd gegen Mann und Co mitgemacht. Erzählt mir nicht, es ging da um wissenschaftliche Aufklärung.

Haben sie mal diesen Widerspruch zwischen sich mal ausdiskutiert, oder im Buch thematisiert? Oder ist das kein Widerspruch, aber immerhin haben sie eine sehr starke Meinung über Ölmann Barton geäussert?

Ist das nicht auch eine Art Falle? Damit ist der Name von Storch schon sehr mit dieser Aussage verbunden und es ist meiner Meinung nach auch ein Grund, warum manche so mit Abweisung auf von Storch reagiert hatten, obwohl er nur Sachverständiger war.

Also diese Episode hätte ich als Klimafalle gesehen.

Anonymous said...

Ich kann hvw nur zustimmen. Der Artikel entspricht auch in meiner Wahrnehmung ganz und gar nicht dem, wie es Werner Krauss beschrieben hat. Ganz im Gegenteil sogar. Und weil gerade alle so schön polemisch sind:

Ich habe eher das Gefühl, das dieser Artikel durch den Verweis auf die "Klimafalle" eine Fortsetzung dessen ist, was im gleichnamigen Buch schon so verzweifelt versucht wurde: die Etablierung einer bedeutungslosen Worthülse. Mehr kann ich daran nämlich leider nicht erkennen. Oder was ist sie nun eigentlich, diese ominöse Falle? Worin besteht das "Dilemma" (auch ein im Buch benutztes Wort, das den Leser mit Fragezeichen zurücklässt)? Und warum leben jetzt nochmal eigentlich alle gut damit?

Endlosschlaufen und gedankliche Faulheit finde ich hier auf der Klimazwiebel ebenfalls im Übermaß.

Danke aber immerhin, Werner Krauss, dass sie nicht von "gleichgeschalteter" Presse geschrieben haben, auch wenn "Normalisierungsmaschine" sehr nah dran ist. Das hätte vermutlich noch mehr Feindseligkeit in mir hervorgerufen.

Polemik Ende.

Der Vollständigkeit halber nun noch das Bild der Gegenseite, einen Tag nach dem TAZ-Artikel:

Scilogs

Werner Krauss said...

Anonymous und ghost:

Eigentlich steckt hinter dem Begriff "Klimafalle" kein großes Geheimnis:

"Kurz: Die Klimadebatte ist festgefahren die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaften ist in Zweifel gezogen, und die Handlungsfähigkeit der Politik in Sachen Klima ist gering. Wir sitzen in der Klimafalle." (S. 10).

Das ist der Ausgangspunkt für unseren Essay, und das ist unser Programm:

"Die Wege aus der Klimafalle führen über ein neues Verständnis des Klimawandels, das nicht apokalyptisch ist, sondern ihn als eine Herausforderung begreift, die Welt, die wir bewohnen, neu zu konzipieren."

"Der Weg aus der Klimafalle wird nicht durch eine einzelne entscheidende wissenschaftliche Erkenntnis geliefert werden, sondern er führt über die Anerkennung der gesellschaftlichen und damit auch kulturellen Dimension des Klimas." (S. 11)

Eigentlich einfach zu verstehen. Wieso "Klimafalle" der Versuch ist, "eine bedeutungslose Worthülse zu etablieren", verstehe ich nicht. Es ist eine Zustandsbeschreibung, die man teilen kann oder nicht.

Und, ghost: vielleicht einfach das Buch lesen und sich dann dazu äußern? Oder widerspricht das dem Kodex anonymer Blogger - erst etwas lesen bevor man sich dazu öffentlich negativ äußert?

Werner Krauss said...

Anonymous, hvw:

Nochmal: Ich rede hier über das Gesamtpaket, das die taz liefert: Vorne über die ganze Seite die Überschrift "Globale Erwärmung lässt Europa zittern". Direkt darunter der Kommentar, der ein apokalyptisches Szenario zeichnet und den Stern Report aus der Schublade zieht: jetzt Umkehr oder Untergang. Und im Innenteil dann der wissenschaftsjournalistische Artikel, der die Titelseite sozusagen absichert. (Es geht hier nicht um den Inhalt des einzelnen Artikels und dessen Qualität, sondern um seine Funktion im Gesamtpaket der Klimaberichterstattung dieser Ausgabe).

"Normalisierung" ist ein Begriff aus der Machttheorie im Umfeld von Michel Foucault. Der Begriff bezeichnet den Vorgang, wie außergewöhnliche Ereignisse oder ungleiche Machtverhältnisse als "normal" bezeichnet werden. Der Dreiklang "Wissenschaft stellt fest, Politik muss folgen und wir werden alle sterben wenn wir nicht den Anweisungen folgen" stellt eine solche neue Normalität her. Jedes Wetter soll uns daran erinnern, dass es eine Folge unserer Klimavergehen sein könnte.

Die Ursachen, welche das Problem Klimawandel erst hervorgebracht werden, werden nicht thematisiert. Zuständigkeiten sind verteilt, politische Analysen bleiben außen vor, und alle sind an den Machtapparat angeschlossen und werden zu gut regierbaren Klimasubjekten: wer seine Glühbirnen nicht auswechselt oder nicht klimafreundlich konsumiert, ist schuldig am Untergang. Dieses Prinzip leben wir seit nunmehr über zwei Jahrzehnten, ohne dass man von großen Erfolgen in der Bekämpfung des Klimawandels sprechen kann. Der Guardian nannte das permanente Versprechen, den Untergang in der kurzen Zeitspanne, die uns noch verbleibt, verhindern zu können, das Zombiefilmnarrativ. Keine gute Politikstrategie, wie ich finde.

Das ist polemisch zugespitzt und zudem eine unzulässig verkürzte Fassung des Foucaultschen "gouvernmentalité" Konzepts. Aber hoffentlich transportiert dies den Gedankengang, dass die taz durch dieses Gesamtpaket zur Konsolodierung des status quo beiträgt, obwohl sie glaubt, gegen ihn anzuschreiben.
Eine gewagte These, aber in Philosophie und Gesellschaftswissenschaften wird solche Ansätze durchaus diskutiert.

Alternativen dazu sind andere Wege, wissenschaftliches Klimawissen gesellschaftlich fruchtbar zu machen. Zum Beispiel in der Blogosphäre, oder indem man es im Kontext der Kulturgeschichte des Klimawandels (und seiner Thematisierung) betrachtet, oder indem man es auf die konkrete Welt, die wir bewohnen, anwenden - wie wir es in unserem Buch am Beispiel Nordfriesland machen. Es spricht nichts dagegen nach Wegen zu suchen, Klimawissen besser in die Demokratie zu bringen und so effektiveres Klimahandeln zu ermöglichen.

Es gibt also Alternativen zum herrschenden Klimadiskurs, den die taz hier so exemplarisch vorführt - Alternativen, die nicht in generellen Klimaskeptizismus abdriften (die Sonne, die Wissenschaft lügt, Klimawandel ist doch ganz normal), sondern das Anliegen exakter und vielleicht auch wirkungsvoller formulieren.


hvw said...

Werner,
vielen Dank für die lange Erklärung. Ist für mich ein gemischter Strauss.

Ich rede hier über das Gesamtpaket, ... Es geht hier nicht um den Inhalt des einzelnen Artikels und dessen Qualität ..
Schon klar jetzt. Da zeigen sich die Tücken der Vermischung von traditionellen Medien mit online-Zeug: Der Kontext, der ihr Hauptthema war, existiert im gewählten Medium schlicht nicht; der Aufbau dieser spezifischen Nummer der taz laesst sich anhand der Onlineausgabe nicht rekonstruieren, selbst wenn man will. Shit happens.

Ich kann eine Frustration über eine ewig wiederholte, letztendlich fruchtlose Geschichte, die höchstens der Erhaltung des status quo dient, durchaus nachvollziehen - kenne ich, vor allem bei anderen Themen. Dort liegt dann aber ein Grund für meine Frustration darin, dass ich zumindest glaube, mindestens eine alternative Geschichte zu haben, die geeignet ist, neues Licht, neuen Wind, Kritik, Muster aufbrechen hastenichgesehn, etc.

Die hier beklagte Standardgeschichte beinhaltet ja wohl "menschgemachte CO2 Emissionen sind Ursache für globale Erwärmung, und die wird Ursache für schlimme Folgen sein", da sind wir uns einig, ja? Wie kann man dann schreiben: Die Ursachen, welche das Problem Klimawandel erst hervorgebracht werden, werden nicht thematisiert.? Sie haben soziologische, kulturelle, irgendwie andere "Ursachen" im Kopf? Sie definieren "Problem Klimawandel" mal eben um? Da besteht Erklärungsbedarf! Das versteht sonst keiner! Und, bloss weil eine Geschichte immer wiederholt wird, heisst das ja nicht, dass sie falsch oder irrelevant wäre. Vielleicht fällt den hauptberuflichen Erzählern, die vielleicht etwas zu stark von ihrer Bindung an die Strahlungsbilanz als Determinante der physikalischen Welt, und von den der globalen Machtelite "gehörenden" Phantasiesummen als treibendem Faktor von Politik, überzeugt sind, ja einfach nichts besseres ein? Wem fällt denn was Besseres ein, etwas Ebenbürtiges, ja nur etwas, das dieser überzeugenden Story auch nur ein bisschen Spin geben könnte?

lauschen ...

Ahhh Alternativen dazu sind andere Wege, ..Zum Beispiel in der Blogosphäre
Wirklich, Blogosphäre als Quelle der Kritik? Mag sein. Als Alternativen aufzeigende Kritik der Klimadiskussion? Tschuldigung, ich wollte Sie nicht zum Lachen bringen während Sie essen. Hier, Kleenex.

Kontext der Kulturgeschichte des Klimawandels (und seiner Thematisierung) betrachtet ja, wenigstens intellektuell nahrhafter, das. Aber gibt es hier wirklich eine Chance den knallharten Dreiklang der Ursache-Wirkung - Geschichte irgendwie zu mildern? Wohl kaum, wenn man sich mit "hat sich schon immer geändert, haben wir uns schon immer angepasst, mit freundlichen Grüssen ihr Eike aus der Blogosphäre, tüdeldüü" eben nicht abgeben möchte.

die konkrete Welt, die wir bewohnen, anwenden - wie wir es in unserem Buch am Beispiel Nordfriesland machen. Das war das beste Kapitel, ich hätte gewünscht, dass das Buch mit Kapitel 7 angefangen hätte (den Rest habe ich nämlich schon vorher auf zweifelhaften Blogs gelesen). Beispiel Nordfriesland kann man sicher prima draus lernen, z.B. für das aktuelle Problem Nationalpark Nordschwarzwald (Das macht doch hoffentlich jemand ??). Aber globale Erwärmung? Nur in ziemlich abstrakter Weise, oder nicht? Hier noch ein Kleenex.

Es gibt also Alternativen zum herrschenden Klimadiskurs ... , die nicht in generellen Klimaskeptizismus abdriften (die Sonne, die Wissenschaft lügt, Klimawandel ist doch ganz normal), sondern das Anliegen exakter und vielleicht auch wirkungsvoller formulieren.

Ihr Wort in Gottes Gehörgang. Auch wenn diese Alternativen noch ihrer Konstruktion harren. Manchmal hat es die Kritik eben auch extraschwer, weil ihr Gegenstand so verdammt simpel und überzeugend daherkommt. Manchmal könnte es sich lohnen, den Lichtstrahl der Kritik ein kleines bisschen in Richtung verletzliche, stinkende Weichteile zu schwenken .... aber Vorsicht, Kritik die greift macht halt nicht nur Freunde.







Werner Krauss said...

hvw,

freut mich zu lesen dass Sie nun meine Intervention gegen die Berichterstattung der taz verstanden haben. Es wundert mich allerdings, dass Sie dennoch an dieser doch sehr rudimentären Form der Klimaerzählung festhalten. Es stimmt einfach nicht, dass zuviel CO2 überall schlimme Folgen haben wird. Diese Geschichte ist schlichtweg falsch, und logischerweise sind Maßnahmen, die daraus abgeleitet werden, ebenfalls falsch.

Die Treibhausgase werden keinesfalls überall gleich ausgestoßen, und auch die Wirkungen sind regional sehr unterschiedlich. Der Klimawandel hat etwas mit energieintensiver Produktion zu tun, die überall und jedes Mal hinterfragt werden muss. Der Klimawandel ist nicht eine Geschichte von Rettung oder Untergang, sondern eine Frage guter oder schlechter Politik in Regionen, die in unterschiedlicher Intensität miteinander vernetzt sind. Da helfen deterministische Folgerungen aus ideologisch aufbereiteten statistischen Berechnungen wie "wir müssen weltweit um x Prozent reduzieren, sonst kippt das System" etc. nicht viel. Da hilft auch nicht der jahreszeitliche Nachweis der Klimaforschung, dass das derzeitige Wetter jetzt aber ganz bestimmt eine Folge des Klimawandels sei.

Dagegen kann man von den global gut vernetzten Nordfriesen durchaus lernen, dass mit einer regional tief verankerten Politik Küstenschutz und wirtschaftlicher Aufschwung auch mit alternativen Energien möglich ist. Damit sind sie den Kayapo im Amazonas, die gegen einen staatlich verordneten Staudamm kämpfen, näher als den Bürokraten und Wissenschaftlern, die über die Köpfe der Bevölkerungen hinweg Energiepolitik umzusetzen versuchen. Die globale Ebene ist eine Ressource, keine Determinante. Eine Ressource für den Kampf gegen eine energieintensive Wachstumspolitik zum Wohle einiger weniger und auf Kosten der Sicherheit vieler. Damit lässt sich arbeiten, im Amazonas, in der Tundra und in den Marschen. So herum wird ein Schuh draus.

Es gibt also nicht eine Alternative zur dominanten Klimaerzählung, sondern viele Alternativen. Dabei spielt die Blogosphäre durchaus eine Rolle, denn Klimawissen kann nun nicht mehr unhinterfragt mit der großen Politik und deren Administrationen kurzgeschlossen werden. Die Zeiten sind wohl vorbei, wo ein Richard Feynman noch selbstbewusst tönen konnte:

"Wissenschaftsphilosophie ist für Wissenschaftler ähnlich nützlich wie für Vögel".

Es mag zwar stimmen, dass die Vögel keine Ornithologie brauchen, aber ohne philosophische Selbstreflektion über die eigene gesellschaftliche Rolle wird die Klimawissenschaft in Zukunft kaum mehr ihre Rolle als nützlicher Wissenslieferant beibehalten können.

Ihr "knallharter Dreiklang der Ursache-Wirkung-Geschichte" zersplittert in tausend Einzelteile, die neu zusammen gesetzt werden müssen. Sie können also getrost Ihr Kleenex stecken lassen, ihre Fantasie ankurbeln und sich an die Arbeit machen.

Werner Krauss said...

add: das Feynman Zitat heißt vollständig:

"Wissenschaftsphilosophie ist für die Wissenschaftler ähnlich nützlich wie die Ornithologie für die Vögel"

sorry.

Hans von Storch said...

Der Feynman hatte viele kluge Dinge gesagt, wie zur Notwendigkeit der Falsifikation eigener Vorschläge oder zur Cargo Science. Diese Aussage, zu den Vögeln und der Ornithologie, macht auch Sinn, solange man sich in einem normalen Kontext bewegt; im Falle der Klimaforschung aber ist die Lage nicht mehr "normal" sondern - so unsauber der Begriff auch definiert sein mag - "postnormal". Und in dieser Situation ist der reflexsive Bezug zur Wissenschaftstheorie schon sinnvoll; mit Feynman als einem signifikanten Beitrager.

@ReinerGrundmann said...

Feynmann (wie wir alle) funktioniert auch ohne Wissenschaftstheorie, aber auch ohne Neurowissenschaften, Evolutionstheorie usw. Wenn das eine Spitze gegen Wissenschaftstheorie sein sollte, geht sie ins Leere.

Dennoch glauben immer wieder einflussreiche Leute, dass die Wissenschaften der Unterstützung bedürfen und dass z.B. Wissenschaftstheorie/geschichte/soziologie dafür nützlich sind. So z.B. Harvard Präsident James Conant, dessen vielleicht berühmtester protégé Thomas Kuhn war.

Werner Krauss said...

Hans,

der Feynman-Reflex funktioniert, der Patient lebt noch: sehr schön -:)

Du schreibst:

"Und in dieser Situation ist der reflexive Bezug zur Wissenschaftstheorie schon sinnvoll" - genauso ist es.

Anonymous said...

Schade, dass hier keine Artikel mit dem Titel "Der Daily Telegraph in der Klimafalle" erscheint.

Ein paar Zitate:
- "Should Michael Mann be given the electric chair"
- "Should George Monbiot be hanged by the neck"
- "Should Tim Flannery be fed to the crocodiles"
- "The last thing I would want is for Monbiot, Mann, Flannery, Jones, Hansen and the rest of the Climate rogues' gallery to be granted the mercy of quick release."
- "Hanging is far too good for such ineffable toerags."
- "Indeed, it would be nice to think one day that there would be a Climate Nuremberg."

http://blogs.telegraph.co.uk/news/jamesdelingpole/100210866/an-english-class-for-trolls-professional-offence-takers-and-climate-activists/

Werner Krauss said...

Anonymous,

das ist ja disgusting! Also wirklich, ekelhaft. Aber mit Klimafalle hat das nichts zu tun, in meinem Verständnis. Hier geht es ja nicht um ein komplexes Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik, sondern um einen Lynchmob oder sowas. Und fehelende Verantwortung und Anstand des Daily Telegraph.

Hans von Storch said...

Ich denke, man sollte den Artikel mal lesen, dann ist klar, das anonymous entweder kein Englisch kann oder mal probieren wollte, wie leicht sich gutgläubige Klimazwieblisten sich auf das Glatteis führen lassen.

Nicht, dass ich Delingpole's Artikel irgendwie anregend oder gar humoristisch finde, aber für Briten ist das vielleicht anders.

@ReinerGrundmann said...

Werner,
ich denke auch du bist da etwas schnell auf den werten Herrn onan (sorry: anon) eingegangen. Der Artikel ist nicht 'disgusting', sondern lesenswert. Disgusting ist die primitive Strategie von anon. Die Zitate sind nicht die Meinung von Delingpole. Hier ein Zitat um dich zur Lektüre anzuregen:

'I note that warmists are often banging on about the fact that sceptics like Christopher Booker and myself "only" have arts degrees. But actually that's our strength, not our weakness. Our intellectual training qualifies us better than any scientist – social or natural sciences – for us to understand that this is, au fond, not a scientific debate but a cultural and rhetorical one. '

Na?

Werner Krauss said...

schäm schäm :-(

ghost said...

@Grundmann

oh, Witze mit "schlimmen" Worten drin... man, da haben sie es den guten Anon aber echt gegeben. Finden sie das nicht selbst schon ein wenig peinlich?

@Krauss
danke, für ihre Null-Antwort... naja, meine Frage war auch nicht on-topic. Sorry.

@Delingpole

hm, Delingpole meint also, er kennt Schopenhauers Eristische Dialektik besser als die Wissenschaftler, die er bekämpft? Das mag sein. Aber hat Delingpoles Debattierklubgehabe, mehr ist das ja nicht, irgendeinen Sinn, ausser, dass ich sehen kann, ob er Trick 5 oder 17 anwendet? Das ist was Delingpole denkt und Grundmann toll findet?

Ich habe schon einige "Skeptiker" gefunden, die genau so daran gingen. Irgendwie ist das doch verrückt.

PS: ich habe keinen BA oder MA.

Anonymous said...

Die Reaktionen auf diesen Artikel bestätigen meine Einschätzung bezüglich der geistigen Haltung (und teilweise auch das Niveau) der regulars dieses Blogs umfassend.

1. Haha, war ja nur eine Metapher, wer das nicht versteht, kann kein Englisch.
2. Der gute Sozialwissenschaftler ist gut, er ist ja kein Alarmist und ausserdem Sozialwissenschaftler.
3. Onan. Lustig. Damals, in der 2.Klasse. Hat was mit Penis zu tun. Deswegen lustig.

Well done.